Wer hat das nicht schon mal gehört?
Manchmal will man ja auch einfach nicht hinhören oder ist durch etwas anderes abgelenkt.
Doch manchmal hat das auch anderen Ursachen.
In einem Artikel von Britta Meißner (Hörakustikmeisterin) las ich neulich:
"Demenz - Hörminderung erhöht das Risiko"
Warum das so ist und andere spannende Erkenntnisse durfte ich in einem sehr aufschlussreichen Gespräch mit Frau Britta Meißner von "Hörgeräte Meissner" erfahren.
Was sind Anzeichen für einen beginnenden Hörschaden?
Fr. Meißner: Meist sind es die Angehörigen, die beklagen, der Betroffene würde so laut Fernsehen schauen, dass sich schon die Nachbarn beschweren. Betroffene reden meist unangemessen laut, was sie vorher nicht taten. Sie beteiligen sich kaum noch an Kaffeeklatschrunden im Familienkreis und sind oft auch ruhiger als je zuvor. Oft werden hohe Töne wie Telefonläuten und Türklingel nicht mehr wahrgenommen.
Erfahrungsgemäß nehmen Betroffene selbst oft erst sehr spät wahr, dass sie was mit den Ohren haben. Oftmals hat dieser lediglich das Gefühl, dass alle um ihn herum nuscheln.
Warum ist es wichtig bei genannten Anzeichen zeitnah der Ursache auf den Grund zu gehen?
Fr. Meißner: Je länger man wartet, desto mehr gewöhnt sich das Gehirn daran, nicht mehr so gut zu hören. Es wird quasi entwöhnt. Die hohen Töne fallen zuerst weg und immer mehr alltägliche Nebengeräusche werden nach und nach nicht mehr wahrgenommen.
Das ist ein schleichender Prozess mit fatalen Folgen.
Denn was weg ist ist weg und kann auch durch die besten Hörgeräte nicht mehr hergestellt werden.
Hörgeräte halten, vorausgesetzt sie werden richtig angewendet, das Hörvermögen auf dem derzeitigen Stand ab Inbetriebnahme.
Was meinen Sie mit "richtiger Anwendung"?
Fr. Meißner: Zunächst mal müssen sie auch tatsächlich getragen werden. Die Hörgeräte sollten alle 3 bis 4 Monate vom Akustiker gewartet werden. Bei Schwierigkeiten in der Bedienung sollte zeitnah der Akustiker kontaktiert werden. Es gibt in den meisten Fällen eine Lösung. Trotz gut abgestimmtem Hörgerät sollte regelmäßig ein Hörtest wahrgenommen werden. Bei uns gehören Hörtest und Wartung zum Service dazu.
Antje Burger: Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass viele Betroffene ein Hörgerät haben, es jedoch nicht tragen. Auf Nachfrage bekomme ich überwiegend zu hören, dass mit den Hörgeräten alles hörbar ist. Selbst die ganzen Nebengeräusche. Und das würde nerven. Also wurden die Hörgeräte oftmals einfach "vergessen", was dann wiederum zur Folge hatte, dass das Gegenüber am Frühstückstisch nur so halb verstanden wurde. Nach ein paar Mal nachfragen: "Was hast Du gesagt?" und einem schon mit dem augenrollendem sich wiederholendem Gegenüber, schien die Situation dem Betroffenem sichtlich unangenehm zu sein.
Folglich fragte der Betroffene nicht mehr nach, sondern stimmte den Aussagen des Gegenübers, meist durch nicken, einfach zu ohne zu wissen, was dieser erzählt hatte.
Woran liegt das, dass viele Betroffene diese vielen Nebengeräusche wahrnehmen und letztlich die Hörgeräte in der Schublade landen?
Fr. Meißner: Wie bereits anfangs erwähnt, liegt es tatsächlich daran, dass viel zu lange mit dem Besuch beim Ohrenarzt oder Hörakustiker gewartet wurde. Durch die Entwöhnung des Gehirns und oftmals jahrelanges Leben ohne Nebengeräusche, bekommt man mit den Hörgeräten dann auf einmal die geballte Ladung präsentiert. Das ist natürlich für viele erschreckend. So musste man jahrelang die (auch oftmals nervigen) Geräusche nicht anhören und nun bekommt man mehr mit als einem lieb ist.
Die Hörgeräte liefern ab und das Gehirn kann nicht mehr heraus filtern, was wirklich relevant ist.
Dazu muss ich sagen, dass sich da die teureren Hörgeräte deutlich von den Kassengeräten unterscheiden. Die teureren Geräte sind oftmals besser in der Lage die vielen Geräusche zu filtern, als die Kassengeräte. Wird rechtzeitig zum Ohrenarzt gegangen macht es kaum einen qualitativen Unterschied welches Gerät zum Einsatz kommt.
Viele trauen sich nicht nochmal zum Hörakustiker, weil sie keine Umstände machen wollen. Dabei gehört zum guten Service dazu. Andere wollen nicht schon wieder den Angehörigen fragen, ob er Zeit hat einen nochmal hinzu fahren.
Also ab in die Schublade mit den Hörgeräten und lieber nichts mitkriegen als zu viel.
Mit anderen Worten. Die Hörgeräte werden nicht getragen. Der Hörverlust schreitet stetig fort.
Fr. Meißner: Das ist richtig.
Was für ein Teufelskreislauf. Was bedeutet das für die Lebensqualität der Betroffenen?
Fr. Meißner: Sie bekommen nicht mehr mit, was um sie herum geschieht. Aus Scham immer wieder nachzufragen oder auf das schlechte Hörvermögen angesprochen zu werden, ziehen sich viele aus dem gesellschaftlichen Leben zurück, pflegen keine sozialen Kontakte mehr und gehen kaum noch vor die Tür.
Sie vereinsamen!
Da kommt mir direkt Ihr Artikel in den Sinn: "Demenz - Hörminderung erhöht das Risiko". Was hat es damit auf sich?
Fr. Meißner: Eine Studie der Universität in Leipzig aus dem Jahr 2021 belegt, dass eine Hörbeeinträchtigung ein starker Risikofaktor für Demenz bei Senioren ist. Das Risiko liegt immerhin bei 16%.
Hören können bedeutet Lebensqualität und kognitive Leistungsfähigkeit. Wer hören kann nimmt am Leben teil.
Nochmal zum Thema Demenz. Eine beginnende Demenz wird in vielen Fällen durch das aufmerksame nähere Umfeld des Betroffenen erahnt. Warum ist es besonders wichtig, wenn bereits eine Hörminderung vorliegt, zeitig einen Hörtest zu machen?
Fr. Meißner: Erfahrungsgemäß sehen in späteren Stadien der Demenz die Betroffenen die Hörgeräte als Fremdkörper an, verlieren diese oder entsorgen sie sogar.
Hinzu kommt, dass beim Anpassen der Hörgeräte oftmals keine adäquaten Angaben des demenziell Erkrankten gemacht werden.
Das Tragen in solch einem Fall könnte sogar kontraproduktiv sein.
Was gilt es zu beachten im Umgang mit Menschen, die an einer beträchtlichen Hörminderung leiden?
Fr. Meißner: Auf jeden Fall Betroffene stets von vorne ansprechen. Blickkontakt und Sicht auf den Mund des Sprechers sollte ebenfalls gegeben sein. Von Vorteil ist auch, wenn man weiß auf welcher Seite der Betroffene besser hört um gezielt diese Seite anzusprechen. Tiefere Töne und langsames reden sind ebenfalls von Vorteil.
Welche Hilfsmittel erleichtern bei Hörminderung das Leben zu Hause?
Fr. Meißner: Es gibt diverse Hilfsmittel, wie Lichtsignalanlagen, spezielle Rauchmelder, Baby-Phone und Telefonverstärker.
Was viele nicht wissen: Diese werden bei Verschreibung durch den Arzt von der Krankenkasse übernommen.
Welche Lösung gibt es denn, wenn der Betroffene z.B. nicht in der Lage ist die kleinen Batterien zu wechseln, geschweige denn am Abend die Hörgeräte abzulegen und das Batterien-Fach zu öffnen?
Fr. Meißner: Es gibt Hörgeräte in unterschiedlichen Größen, wobei die größeren meist handlicher zu bedienen sind. Das Fach sollte sich somit einfacher öffnen lassen.
Wenn es um den Batteriewechsel geht, so hat sich Folgendes bewährt. Abhängig von der Größe werden die Batterien an einem festen Tag (wöchentlich oder alle zwei Wochen), z.B. Sonntag, wenn die Tochter zu Besuch kommt, gewechselt.
Sollte sich der Betroffene dennoch nicht mit dieser Variante anfreunden können, so gibt es mittlerweile Hörgeräte mit Akku.
Diese stellt man abends einfach auf die Ladestation. Fertig.
Einziger Nachteil: Akku und Ladestation (z.Zt.ca.400,-€) müssen selbst gezahlt werden.
Auf der anderen Seite spart man sich die Batterien.
Wie ist es für Betroffene möglich herauszufinden, welches das passende Hörgerät für sie ist?
Fr. Meißner: gemeinsam mit Betroffenen (nach Bedarf auch mit Angehörigen) schauen wir welche Hörgeräte in die engere Auswahl kommen könnten. Ob typisches Kassengerät mit ab nur 10,-€ Zuzahlung pro Gerät oder eine etwas teurere Variante, Akku- oder Batteriebetrieben, das etwas größere Handliche, das ästhetischere Kleinere oder andere Faktoren spielen da oftmals eine Rolle.
Die ausgewählten Favoriten können gern über einen längeren Zeitraum getestet werden bis das passende Hörgerät gefunden ist.
Tausend Dank für dieses wirklich interessante Gespräch. Zum Schluss möchte ich gern berühmte letzte Worte hören. Was möchten Sie den Lesern zum Abschluss mit auf den Weg geben?
Fr. Meißner: Sehr gerne.
Bei Hörminderung zeitig zum Ohrenarzt oder den Hörakustiker aufsuchen. Was weg ist ist weg!
Ansonsten sollte man ab dem 50. Lebensjahr einmal im Jahr die Ohren checken lassen.
Kostet nichts, tut nicht weh und dauert nicht lang.
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